Frauen im öffentlichen Dienst gibt es viele. In Management-Positionen findet man sie seltener. Warum ist das so? Wir haben jemanden porträtiert, der es wissen muss: Regina Reitenhardt, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Kommunalen Datenschutz mbH (GKDS) und Dritte Bürgermeisterin in Münsing. Sie blickt auf eine lange Karriere zurück und hat wertvolle Tipps für Frauen, die auf der Karriereleiter aufsteigen möchten.
Aktuelle Studien der Zeppelin-Universität Friedrichshafen bestätigen: Bei Städten lag in 2022 der Frauenanteil in Topmanagement-Positionen öffentlicher Unternehmen bei 21,5 %. Auch ins mittlere Management schaffen es nur wenige. Als Zielgröße für den Frauenanteil in der 2. und 3. Führungsebene gaben öffentliche Unternehmen 2021 lediglich 26,9 % an.
Regina Reitenhardt ist eine, die es nach oben geschafft hat. Heute ist sie Geschäftsführerin der GKDS, einer 75%igen Tochter der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Die GKDS berät Kommunen bei der Umsetzung der Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung, bei der Erstellung von Informationssicherheitskonzepten, übernimmt die Rolle des externen Datenschutz- und Informationssicherheitsbeauftragten und erstellt Webseiten- sowie Schwachstellenscans. Das Team ist seit der Gründung 2018 kontinuierlich gewachsen. „Bisher haben wir es mit 14 Mitarbeitenden geschafft“, so Reitenhardt. „Aber wir suchen noch weitere Unterstützung: Datenschutzexperten, Bürokräfte, Experten der Informationssicherheit.“ Kein Wunder bei der Anzahl an Kunden: Heute sind es an die 150. Besonders stolz ist sie auf die jüngsten Datenschutzkonzepte, die die GKDS für Softwareverfahren und einige Einer-für-Alle Online-Dienste entwickelt hat: eWaffe, Antrag auf Einbürgerung und Aufenthaltstitel oder Fahrtenschreiberkarte. Das sind Online-Dienste, die bundesweit genutzt werden.
Fleiß, Mut und Zuversicht
Wenn man sie heute fragt, hätte sich Regina Reitenhardt nie erträumen lassen, irgendwann Top-Managerin zu sein. „Wichtig war es mir immer, meine Sache gut zu machen.“ Angefangen hat die studierte Revisionsbeamtin in der 1980er-Jahren bei der Landeshauptstadt München. Dort war sie Organisationsprogrammiererin, war mit Assemblerentwicklung von Personalsoftware befasst.
1990 wechselte sie zur AKDB ins Qualitätsmanagement, begleitete etwa die ISO-9000-Zertifizierung von AKDB-Lösungen, sie wurde Mutter, stieg in Teilzeit wieder ein. „Ich rechne meinem Arbeitsgeber hoch an, dass meine Stelle während meiner zweieihalbjährigen Elternzeit für mich freigehalten wurde.“ Obwohl sie in Teilzeit war, übernahm sie schnell weitere Verantwortung, stieg in die technische Revision ein, übernahm Programm-, Personal- und PC-Prüfungen, wurde 2011 Leiterin der technischen Revision. Nebenher wurde sie mit Sonderprojekten betraut, sie leitete das Projekt „BSI-Zertifizierung des AKDB-Rechenzentrums“ und führte das Team an, das das Einwohnerfachverfahren OK.EWO und die Einbürgerungssoftware EinsA in der Landeshauptstadt München einführte.
„Es war brutal viel Arbeit“, sagt sie heute, „und eigentlich war ich anfangs gar nicht für diese Position vorgesehen. Aber einige andere sind krank geworden oder haben abgesagt. Ich habe mich nicht gescheut. Das war mein Vorteil.“ Wenn Regina Reitenhardt heute jungen Frauen einen Rat geben darf, dann ist es dieser: Springt mutig in die Bresche, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Ergreift Chancen, wenn sie sich euch bieten – und denkt nicht zu lange darüber nach, ob ihr für eine Aufgabe geeignet seid. Macht einfach! Sie ist überzeugt, dass Herausforderungen zu meistern sind und die Basis für Karrierechancen sind.
Plötzlich Unternehmerin
Und so sagte sie auch mit Mitte Fünfzig zu, als die AKDB-Führung sie fragte, ob sie eine Firma gründen will, die sich exklusiv um Datenschutzberatung kümmert. Es war das Jahr 2018, und die DSGVO kam im Mai zur Anwendung. Viele Kommunen wussten nicht, was auf sie zukommt, fühlten sich überfordert. Besonders kleine und mittlere Kommunen, Zweckverbände oder Stiftungen fürchteten den hohen Verwaltungsaufwand und hatten Angst, früher oder später in eine Datenschutzfalle zu tappen. Die Furcht vor Bußgeldern war groß. Die GKDS stieß in eine Lücke vor: Es gab wenige Anbieter, die aus der kommunalen Welt kamen, sich bestens mit Fachsoftware und sensiblen Bürgerdaten auskannten und auch noch das nötige juristische und kommunale Fachwissen hatten. Die Entscheidung war richtig, der Erfolg der GKDS spricht für sich.
Role Models sind wichtig
Respekt vor dem Job hatte sie trotzdem: „Ich hatte keine Ahnung, wie man ein Unternehmen gründet.“ Notartermine, Gewerbeanmeldung, der Aufbau eines Teams, inklusive Buchhaltung und Rechnungswesen. Das alles war neu. „Schließlich kam ich aus dem technischen Bereich und war keine BWLerin“, so Reitenhardt. „Trotzdem: Ich habe gerade mal eine Nacht drüber geschlafen. Dann stand mein Entschluss fest: Ich mache das!“ Fachlich traute sie sich das zu. Und das Organisieren lag ihr im Blut. „Ich war immer ehrgeizig, beim Autofahren ebenso wie beim Sport. Squash, Tennis, Schwimmen waren meine Leidenschaft. Der Sport fordert den Ehrgeiz auch gegenüber der Männerwelt heraus.“ Ein wenig sei das Charakter, meint Reitenhardt, aber auch die Erziehung sei wichtig. „Meine Eltern haben meiner Schwester und mir immer eingeschärft, selbstständig zu sein, und uns Mut gemacht. Das hat mich tief geprägt und mein Selbstwertgefühl gestärkt. Meine berufstätige Mutter war ebenfalls Halt und Vorbild.“
Rückhalt vom Arbeitgeber
Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist Regina Reitenhardt gleichermaßen gelungen. Sie ist sich bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist. „Man braucht da schon den Rückhalt in der Familie. Und den vom Arbeitgeber. Beides hatte ich: Meine Mutter hat mir nach der Elternzeit sehr mit meinem Kind geholfen. Mein Mann erwartete nicht jeden Abend ein Drei-Gänge-Menü - und die AKDB hat es mir erlaubt, mit einer 20-Stunde-Woche wiedereinzusteigen.“ Das gelte übrigens auch für Männer, meint sie. Auch ihnen sollte ohne Karriereknick erlaubt werden, Elternzeit oder Teilzeit in Anspruch zu nehmen. Dass bei der GKDS größtenteils Frauen arbeiten, sei ein Zufall. „Ich arbeite mit Männern genauso gerne wie mit Frauen zusammen. Bei der Landeshauptstadt und bei der AKDB waren in meinem Arbeitsumfeld traditionell Männer in der Überzahl, besonders in Führungspositionen. Geändert hat sich in den letzten Jahren deren Umgang mit Frauen. Heute ist der männliche Führungsstil etwas empathischer, aber ich habe lange Zeit richtig jähzornige, paternalistische Chefs erlebt. Da flog auch mal ein Stuhl …“
Frauen sachlich – Männer experimentierfreudig
Der Führungsstil von Männern ist definitiv ein anderer als der von Frauen. „Ich habe Frauen sachlicher erlebt, mehr an der Lösung und dem Ergebnis orientiert, konzentrierter. Männer sind lauter, Alphatiere, aber auch oft ‚verspielter‘. Sie experimentieren gerne.“ Für ein erfolgreiches Unternehmen sei der Mix zwischen Frauen und Männern in Führungspositionen essenziell. Für eine Frauenquote spricht sie sich trotzdem nicht aus. Wer will schon als Quotenfrau abgestempelt werden? Sie findet, es nehme Frauen sogar die Glaubwürdigkeit und bewirke letztlich das Gegenteil. Vielmehr seien die Netzwerke wichtig und Schulungen in Rhetorik, Selbstwertkurse, Konfliktmanagement und Gehaltsverhandlungen. „In der AKDB bauen wir ein Frauennetzwerk auf. Wir wollen uns regelmäßig austauschen und Impulsvorträge zu aktuellen Themen halten.“
In der Kommunalpolitik engagiert
Als sei all dies alles nicht genug, engagiert sich Regina Reitenhardt seit 15 Jahren als Gemeinderätin in Münsing und ist seitdem Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Sozialreferentin, Leiterin der Agenda Soziales sowie Koordinatorin des Helferkreises für Asylbewerber und Flüchtlinge, seit vielen Jahren Vorstandsvorsitzende des örtlichen Gartenbauvereins und Kassiererin im Kreisverband.
Bei den letzten Kommunalwahlen wurde sie von den Gemeinderatsmitgliedern zur Dritten Bürgermeisterin gewählt. Sich ins Gemeindeleben einbringen, der Gesellschaft etwas zurückgeben, findet sie auch für den beruflichen Werdegang extrem wichtig. „Ich achte bei einem Bewerber oder einer Bewerberin besonders auf die so genannten ‚soft skills‘. Sich für ein Ehrenamt zu engagieren spricht für Charakter, Durchhaltevermögen, Begeisterungsfähigkeit und Neugierde. Das sind alles Eigenschaften, mit denen man auch im Job weit kommt. Ich vernetze mich gerne mit Frauen, die gerade am Anfang eines aufregenden beruflichen Werdegangs stehen.“
Mit Anfang Sechzig hat Regina Reitenhardt noch viel vor: Ihr „Baby“, die GKDS, soll wachsen, bekannter werden und weiterhin auf Erfolgskurs bleiben.