Die AKDB engagiert sich für das Thema Gendergerechtigkeit in Unternehmen. Damit es mehr Sichtbarkeit bekommt, haben wir dieses Jahr zum ersten Mal die FIT-Public Management-Studie 2021 der Zeppelin Universität Friedrichshafen gefördert. Die Langzeitstudie beobachtet die Entwicklung des Frauenanteils im Top-Management öffentlicher Unternehmen. Auch der Gesetzgeber pusht mit dem Führungspositionengesetz II den Anteil von Frauen in Vorstandspositionen. Für öffentliche Unternehmen gilt künftig: Bei mehr als zwei Vorstandsmitgliedern soll eine Frau im Vorstand vertreten sein. Die AKDB hat mit Gudrun Aschenbrenner seit 2018 ein weibliches Vorstandsmitglied, das auch gleichzeitig zweifache Mutter ist. Gendergerechtigkeit und Diversity sind für sie Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Wir haben sie gefragt, warum.
Frau Aschenbrenner, gerade ist das Führungspositionengesetz II verabschiedet worden: Sind Frauenquoten in öffentlichen Unternehmen der richtige Weg?
Aschenbrenner: Da frage ich zurück: Was macht man, wenn man eine Quote hat, aber keine Frau, die für eine Führungsposition geeignet wäre? Keine Frau möchte als Quotenfrau dastehen. Aber während in anderen Ländern Selbstverpflichtungen durchaus funktionieren, wird hierzulande zu wenig aus eigenem Antrieb heraus gehandelt. Und so treibt eine gesetzliche Vorgabe die öffentliche Diskussion voran und verankert sie im öffentlichen Bewusstsein. Gerade bei jungen Nachwuchskräften nimmt ein vorurteilsfreies und integratives Arbeitsumfeld an Bedeutung zu. Das merken wir auch in Bewerberinterviews. Immer öfters werden wir gefragt, wie das Thema Gendergleichheit in unserem Unternehmen angegangen wird. Das Bewusstsein ist in der jungen Generation vorhanden. Kein Wunder: Diese jungen Frauen sind mit einer Kanzlerin großgeworden.
Dennoch bewegt sich der Anteil von Frauen im Top-Management auf einem homöopathischen Niveau. Auch die oftmals als „modern“ gehandelte Tech-Branche bildet hier keine Ausnahme. Warum ist das so?
Ich glaube, es liegt nicht zuletzt auch daran, dass immer noch wenige Frauen MINT-Berufe ergreifen. Und so ist dann auch der Anteil an Frauen, denen man Führungspositionen anbieten kann, wesentlich geringer als der Anteil an Männern. Die Frage, die wir uns daher im ersten Schritt stellen sollten: Wie ermutigen wir Mädchen und junge Frauen, klassische MINT-Fächer zu wählen und zu studieren bzw. eine Ausbildung zu absolvieren? Das fängt ja schon in der Schule an: Mathematik und Physik werden größtenteils noch von Männern gelehrt. Da bildet sich bereits ein stark definiertes Rollenbild heraus. Unsere Gesellschaft muss nicht nur in männlichen Rollenbildern denken. Bei der AKDB achten wir ganz bewusst darauf, dass Frauen Teil der Geschäftsleitung sind. Wir brauchen außerdem mehr Mut und Selbstvertrauen. Und Frauen-Netzwerke, in denen wir uns zeigen, andere inspirieren und begeistern – für das IT-Umfeld und um neue Perspektiven aufzutun.
Bei der AKDB achten wir ganz bewusst darauf, dass Frauen Teil der Geschäftsleitung sind.
Ist es also vor allem ein kulturelles Problem?
Ich glaube, in weiten Teilen ja. Seien wir doch mal ehrlich: Wir sind immer noch erstaunt, wenn ein Mädchen Elektronikerin wird und ein Mann als Erzieher arbeitet. Jeder von uns neigt leider immer noch dazu, Geschlechter klischeehaft einzuteilen. Die Botschaft muss lauten: „Das schaffst du! Auch eine Meisterin ist noch nicht vom Himmel gefallen!“ Ich kenne aus meinem näheren Umfeld einige Frauen, die sich sehr erfolgreich in einem technischen Job durchgesetzt haben. Hier sind wir auch als Unternehmen gefordert, junge Frauen gezielt mit unseren Ausbildungsberufen anzusprechen und zu ermutigen. Unternehmen müssen andererseits die richtigen Rahmenbedingungen schaffen: mit flexibleren Arbeitszeiten und neuen Arbeitszeitmodellen – Stichwort Jobsharing in Führungspositionen. Gut ausgebildeten Frauen muss es ermöglicht werden, Familie und anspruchsvolle Tätigkeit miteinander zu verbinden und das muss gesellschaftlich anerkannt und akzeptiert sein!
Apropos Akzeptanz: Als Vorstandsmitglied haben Sie lange Arbeitstage. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Beruf und Familie?
… mit gut trainierten Marathonqualitäten, wenig Schlaf aber ganz viel Spaß an meinem Job UND meiner Familie! Mein Mann und ich haben die Entscheidung, Kinder zu bekommen, bewusst getroffen und waren uns grundsätzlich einig, wie wir Arbeits- und Familienzeit gleichberechtigt untereinander aufteilen. Naja, so wirklich durchplanen lässt sich das alles natürlich nicht. Und so steht in unserem „Familien-Jour-Fix“ ganz oben auf der Agenda: Terminkalender abgleichen, improvisieren und kommunizieren. Ein verlässlicher familiärer Rückhalt ist für mich essenziell - neben dem richtigen Arbeitgeber: Als ich damals als Abteilungsleiterin zur AKDB gekommen bin, hatte ich zwei kleine Kinder im Alter von einem und zwei Jahren. Ohne die Möglichkeit, meinen Arbeitstag flexibel zu gestalten, wäre es gar nicht gegangen. Das hat mir das Unternehmen - aber insbesondere auch mein Team – ermöglicht, und dafür bin ich dankbar. Ich habe damals jeden Tag bis circa 15 Uhr gearbeitet und konnte mich so am Nachmittag um meine Kinder kümmern. Nachdem die Kids im Bett waren, ging’s für mich zurück an den Rechner. Meine Teams wussten, dass ich um diese Zeit keine Antworten auf Mails erwarte. Das Team war tolerant und flexibel, also offen für eine andere Arbeitsweise. Das hat es mir leichtgemacht und unseren Teamgeist gestärkt.
Sind Sie auch an Ihre Grenzen gestoßen?
Natürlich musste ich auch viel an mir selbst arbeiten. Die perfekte Abteilungsleiterin, die perfekte Kollegin und perfekte Mutter, die perfekte Partnerin – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – gibt es nicht! Man muss lernen, Prioritäten zu setzen.
Was können Gesellschaft und Arbeitgeber tun, um arbeitende Mütter und Management-Kräfte zu entlasten?
Höchste Priorität sollte auf einer fortschrittlichen Infrastruktur bei der Kinderbetreuung liegen. Im Übrigen ist das ein Thema, dass zunehmend auch für Männer relevant wird. Ich plädiere dafür, dass Männer von ihren Arbeitgebern die Chance bekommen, Elternzeit zu nehmen und diese auch wirklich nutzen. Das klappt bei der AKDB gut. Wir haben junge Väter, die kürzlich in Elternzeit gegangen sind oder während der Elternzeit arbeiten. Das fördern wir ganz aktiv und rücken es damit auch ins Bewusstsein. Ich freue mich, dass ein Vater bei uns in Elternzeit gehen kann, damit eine junge Mutter bei einer anderen Firma ihr Bestes im Job gibt (und umgekehrt natürlich genauso). Da müssten Firmen sich übrigens mehr öffentlich vernetzen. Wenn alle Unternehmen gemeinsam an diesem Thema arbeiten und damit jeder die Möglichkeit hat, Familienzeit zu nehmen, dann profitieren wir auch gesamtwirtschaftlich davon. Denn Statistiken beweisen: Unternehmen mit Frauen und Männern in Management-Positionen sind auch wirtschaftlich erfolgreicher als Men-only-Führungsetagen.
Wenn alle Unternehmen gemeinsam an diesem Thema arbeiten und damit jeder die Möglichkeit hat, Familienzeit zu nehmen, dann profitieren wir auch gesamtwirtschaftlich davon.
Jetzt haben wir viel über Gender-Diversity gesprochen. Aber Diversity bezieht sich ja nicht nur auf die Repräsentation von Frauen…
Richtig, Vielfalt hat viele Facetten. Es geht um interkulturelle, altersgemischte Teams. Um Menschen mit unterschiedlichen Lebensmodellen und Karrierelaufbahnen. Bei uns arbeiten Logiker und Kreative zusammen. Akademiker und Praktiker. Detailverliebte und Big-Picture-Fans. … und über 30 Nationalitäten. Was uns als Organisation weiterbringt ist eine möglichst heterogene Sicht auf die Dinge. Nur so können wir Erfolgsgeschichte schreiben!
Diversity innerhalb der AKDB: Ist das noch Buzzword oder schon gelebte Praxis?
Das ist ganz klar gelebte Praxis. Aktuelles Beispiel: Unsere Neuausrichtung. Sie zahlt 1:1 auf integrative Strukturen ein. Sie bricht verkrustete Silos auf, entlarvt blinde Automatismen und baut starre Hierarchien ab. In den sich neu formierenden Teams geht es nicht Top-down zu. Wir müssen uns mit verschiedenen Sichtweisen auseinandersetzen – dass macht die Dinge manchmal komplex, aber im Ergebnis haben viele an einem tollen Ergebnis mitgewirkt. Denn wenn unterschiedliche Perspektiven zusammengeführt werden, gehen die Lösungen zwangsläufig über den Status quo hinaus.
Das kann aber auch zu Spannungen führen - wie geht man damit um?
Wenn unterschiedliche Herangehensweisen aufeinandertreffen, kann es schon mal laut werden. Wichtig ist, die Balance zu halten, Grenzen zu akzeptieren und ein gemeinsames Werte-Fundament zu schaffen. Zum Beispiel liegt uns eine offene Kommunikations- und Feedbackkultur sehr am Herzen. Überhaupt lautet „Offenheit“ in meinen Augen das Gebot der Stunde: Offenheit gegenüber dem Neuen, den Andersdenkenden.
Diversity ist also weder Selbstzweck noch Charity-Projekt, sondern die Grundlage für unsere Wandlungsfähigkeit und zahlt damit auf nichts Geringeres als auf unsere Wertschöpfung und Profitabilität und letztlich auf unseren Unternehmenserfolg ein! Denn schließlich geht es ja darum: Wir wollen die besten Lösungen für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltungsmitarbeitende finden!
Vielen Dank für das Interview, Frau Aschenbrenner!