Unter dem Motto „Verwaltung für das 21. Jahrhunderts – einfach, agil, krisenresilient“ hat am 9. und 10. März der 10. Fachkongress des IT-Planungsrats stattgefunden. Für einfache, fachübergreifende Standards und eine universelle Verwaltungs-Datensprache plädierte Markus Keller von der AKDB. Und regte an, eine „Standardfabrik“ im Grundgesetz zu verankern.
Rund 800 hochrangige Expertinnen und Experten setzten sich auf dem digitalen Fachkongress des IT-Planungsrates mit diesen und vielen weiteren Fragen auseinander: Kann der Gang zur Behörde so einfach werden wie Onlineshopping? Kann ich eine beglaubigte Kopie per App anfordern? Sind meine Daten in einer digitalen Verwaltung sicher? Das Saarland war für zwei Tage Gastgeber für Digitalisierungs- und Verwaltungsfachleute sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Bund, Ländern und Kommunen.
Sehen Sie sich als Spinnen im Netz!
Den Auftakt machte nach der Begrüßung durch den saarländischen CIO Ammar Alkassar der Bundes-CIO Dr. Markus Richter. Er verkündete im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine, dass jetzt unkomplizierte digitale Verfahren zur Unterkunftsvermittlung ad hoc entwickelt und Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollen. Denn nie wie jetzt zeige sich, wie wichtig digitale Verwaltungsdienste seien. Was die OZG-Umsetzung anging, übte der Bundes-CIO scharfe Kritik an denjenigen Akteuren in den Bundesländern, die „Sand ins Getriebe“ streuen und wenig bereit für eine länderübergreifende Zusammenarbeit im Sinne des Einer-für-Alle-Prinzips seien. Die Akteure in den Ländern sollten sich sehen wie Spinnen im Netz: mit allen anderen verbunden, an einem gemeinsamen Ziel arbeitend. Er plädierte für mehr Offenheit, mehr Standards und Schnittstellen und verkündete die Einrichtung eines zentralen Bürgerpostfachs, das für eine bessere Interoperabilität zwischen Nutzerkonten sorgen werde.
Forderungen der Länder an den Bund: der 5-Punkte-Plan
Als Vertreterin Bayerns war Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Digitales eingeladen. Sie bemängelte, dass die Umsetzung des OZG noch weit hinter Plan liege, besonders in den Kommunen, die in Bayern sehr unterschiedlich digitalisiert seien. Das Förderprogramm Digitales Rathaus und die Auszeichnung Digitales Amt sollen ein Ansporn sein für die über 2.000 bayerischen Kommunen. Sie erläuterte den 5-Punkte-Plan, den Bayern zusammen mit Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen diesen Februar an den Bund geschickt habe. Darin die Forderung nach einem OZG 2.0, das Registermodernisierung vorantreibt, die Schriftformerfordernis abschafft, aber vor allem Insellösungen vermeidet, die eine Nachnutzbarkeit in Kommunen unmöglich machen.
Ein Marktplatz für EfA-Leistungen
Wie EfA-Leistungen in die Fläche kommen und nachgenutzt werden können, erläuterte unter anderem Jens Fromm von der Genossenschaft öffentlicher IT-Dienstleister govdigital. Die govdigital wurde Ende letzten Jahres vom IT-Planungsrat beauftragt, einen Marktplatz zur Nachnutzung digitaler Verwaltungsleistungen aufzubauen. Dazu gehört ein Modell zur technischen Bereitstellung und automatisierten Vertragsabwicklung. Die ersten Releases der Marktplatzlösung sind bereits für 2022 geplant, so Fromm.
Schluss mit babylonischer Sprachverwirrung!
Kritik an der bisherigen Vorgehensweise bei der OZG-Umsetzung übte Markus Keller vom Berliner AKDB-Büro in seinem Beitrag „Eine Standardfabrik als Grundlage für eine funktionale OZG-Umsetzung“. Was leider seit Jahren versäumt worden sei: die Festlegung allgemeingültiger Standards bei der Entwicklung von OZG-Leistungen und beim Datentransport. XÖV, OSCI und XTA seien ein Anfang, aber bei weitem nicht genug. Weder Behörden untereinander hätten heute einen effizienten, einheitlichen Maschine-zu-Maschine-Austausch, noch Bürgerinnen und Bürger mit der Verwaltung. Das gelte es zu ändern, bevor es zu spät sei, so Keller - auch angesichts des Fachkräftemangels. Dabei handele es sich nicht um Fachstandards, die man entwickeln müsse, weil sonst wieder Silos entstehen. Vielmehr soll ein einzelner Daten-Standard entwickelt werden, der alle Inhalte, egal aus welchem Fachbereich, transportieren kann. Und diese „Standardfabrik“, so Keller, soll im Grundgesetz verankert werden. Die Verwaltungsdigitalisierung brauche ein Betriebssystem, das entwicklungsoffen sei und wie die Internetprotokolle Grundlage für eine Disruption im positiven Sinne biete. Eine universelle Verwaltungsdatensprache könne erheblich größere und v.a. nachhaltigere Wirkung entfalten als die Konjunkturpaktmilliarden.
Cybersicherheit und Datenschutz garantieren
Wo es Digitalisierung gibt, ist Cyberbedrohung nicht weit. Und so war auch Cybersicherheit eins der großen Themen in einer der drei Sessions, die parallel zum Hauptprogramm stattfanden. Weiterer Schwerpunkt: der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Verwaltung, besonders im Kundenservice und in der Auswertung von großen Datenmengen für eine bessere Entscheidungsfindung. Außerdem im Fokus: die Notwendigkeit einer Verwaltungs-Cloud für ein souveränes digitales Deutschland. Einigkeit unter den Teilnehmern des Kongresses herrschte auch beim Thema Open Source Software (OSS). Diese sei ebenfalls ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit von großen multinationalen IT-Unternehmen und biete zudem viel mehr Optionen und schnellere Entwicklungszyklen. Das BMI – gemeinsam mit BW und NRW – arbeitet an einer gemeinsamen Open-Source-Plattform der Öffentlichen Verwaltung für den Austausch von OSS und die gemeinsame Arbeit an offenem Quellcode.
Damit technologische Innovation im Sinne der Verwaltungsdigitalisierung klappt, da waren sich alle Redner einig, sei der enge Schulterschluss mit der Wirtschaft, insbesondere mit Start-ups wichtig. Dafür ist im Oktober 2021 in Berlin der GovTech Campus eröffnet worden, ein Inkubator, der neue Beteiligungsformen zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Start-ups möglich machen und umsetzen soll.